Bir, iki, üç – alles kinderleicht

Der erste Schritt zu einer Fresh X ist das Hören. Wir haben diesen Blog Über_setzen genannt, weil zum Hören auch das Übersetzen gehört. Sonst wird das Gehörte nicht verstanden. Mitunter wird uns der Kopf ganz schön schwer von den vielen Dingen, die um uns herum passieren und die auf uns einprasseln. Zum Glück gibt’s die Kinder vom Kidsklub Kunterbunt.

 

Alle zwei Wochen treffen sich beim Kidsklub Kinder des Quartiers und füllen den Raum. So wie vor ein paar Tagen. Beim Waffeleisen in der Küche gab es die schönsten Begegnungen mit den Kindern. Hier kommt man ganz nebenbei mit ihnen ins Gespräch. Ob sie außer Deutsch noch eine Sprache können? Natürlich, sagen die Kinder. Türkisch! „Und Nour* kann Arabisch“, sagen die Kinder. Ok. Wir müssen drei Löffel Teig auf das Waffeleisen tun. Wie zählt man die denn auf Türkisch? „Bir, iki, üç“, zählen die Kinder vor. Uiii, das ist aber gar nicht so einfach oder? „Doch, Türkisch ist ganz leicht", sagen die Kinder.

 

Kinderleicht! Türkisch haben die Kinder wie von selbst gelernt. In der Familie und untereinander. So müsste es doch eigentlich immer sein: in Beziehung lernen. Eine gemeinsame Sprache verbindet die Menschen untereinander. So, wie es neulich am Waffeleisen angefangen hat. Und die Kinder haben uns Erwachsenen noch so viel mehr beizubringen.

 

Es war voll an diesem Freitagnachmittag im Stadtteilbüro, wo der Kidsklub zu Gast ist. Es war quirlig. Es wurde gebastelt. Gefühle waren das Thema des Nachmittags und Wut ganz besonders. Und nachdem alle Kinder sich aus Sand und Luftballons einen Wutball gebastelt hatten, war natürlich mehr Sand auf dem Boden gelandet, als in den Wutbällen. Es gibt keinen Besen. Lediglich Handfeger und Schaufel tauchten aus einem Schrank auf.

 

Es war die kleine Sabriye*, sie ist etwa fünf Jahre alt, die sich Handfeger und Schaufel nahm und anfing, den Raum zu säubern. Den ganzen Raum. Es war der Goldmoment des Nachmittags. Sabriye war hin und weg, ganz in ihre Arbeit vertieft, die sie unbedingt tun wollte. Ihre Mutter steht geduldig wartend an der Tür. Ein Blick in ihr Gesicht verrät, dass sie weiß oder ahnt, was hier gerade passiert. Die Reformpädagogin Maria Montessori hätte ihre Freude an der Szene gehabt. Montessori nannte den Zustand der Hingabe, der bei Sabriye zu beobachten war, Polarisation. Die Tätigkeit der Kinder nannte sie tatsächlich Arbeit. Ein Wort, das den Wert des Tuns anders beschreibt, als das Spielen. Als Ergebnis dieser Arbeit der Kinder beschrieb Montessori unter anderem die Fähigkeit, andere zu verstehen. Soweit die Theorie.

 

Sabriye hat wirklich den ganzen Raum gefegt. Geduldig und bis zum Schluss. Mit ihrer Arbeit hat sie zum Ausdruck gebracht: „Ich kann hier etwas beitragen.“ Damit hat die Fünfjährige ihre Wertschätzung und ihre Zugehörigkeit aus eigenem Antrieb ausgedrückt. Als sie fertig war, musste sie los. Ohne Dank oder Applaus zu erwarten, zog Sabriye ihren kleinen Mantel an, rief „tschüs“ und verschwand mit der Mutter durch die Tür. Es reichte gerade, dass man ihr noch ein kleines Danke hinterherrufen konnte.

 

Bei dem ganzen Gewusel mit über einem Dutzend Kindern im Raum, die zudem auch noch kamen und gingen, ist diese Geschichte eigentlich nur eine Randbeobachtung. Sie zeigt aber etwas Typisches, nämlich wie wertvoll der Beitrag der Kinder für das Gelingen des Kidsklub ist.

 

Alle Kinder bringen etwas Wertvolles mit, das es zu entdecken gilt. Sie geben reichlich von ihrem Vertrauen, ihrer Fröhlichkeit, ihrer Neugier und ihrem ernsthaften Tun. Die Erwachsenen bereiten vor, mit Liebe, mit Stiften, Papier, Klebstoff, Sand, Luftballons und Waffelteig. Aber die Kinder machen den Kidsklub zu dem, was er ist. Wenn wir sie in unsere Mitte stellen, mit ihnen Zeit verbringen und sie ernst nehmen, wie der biblische Jesus es gefordert hat, dann können wir mit ihnen zusammen kinderleicht diese besondere Sprache des Miteinanders erlernen.

 

*Die Namen sind frei erfunden, die Geschichte nicht.