Gott ist an diesem Ort und ich wusste es nicht

Vor einer Weile war Zuckerfest. Das Ende der muslimischen Fastenzeit hat uns das Quartier, in dem wir unterwegs sind, noch einmal ganz neu vor Augen geführt. Gerade in den vergangenen Wochen haben wir neue Kontakte knüpfen dürfen, die uns ein Fenster in die Nachbarschaft aufgemacht haben. Bei den Gesprächen mit den Müttern der Kinder, die uns auf dem Spielplatz begegnen, war das Fasten im Ramadan natürlich Thema.

 

Am ersten Tag des Zuckerfestes haben wir uns auch auf den Spielplatz aufgemacht, um zu sehen, wen wir wohl heute treffen würden. Schon im Shoppingcenter fällt auf, dass der türkische Imbiss und der orientalische Supermarkt heute geschlossen haben. Statt der großen Kinderschar und der Mütter treffen wir auf dem Spielplatz zwischen den Hochhäusern nur vereinzelte Kinder. Allesamt Nichtmuslime.

 

Der ganze Stadtteil um uns herum war währenddessen mit einer besonderen Stimmung angefüllt. Man hätte sie mit den Händen greifen mögen. In den Straßen überall Menschen in Festkleidung. Die Familien machten sich auf den Weg, um andere zu besuchen. Zurück blieben die, die nicht zu dieser Welt gehören. Zwei Mädchen auf dem Spielplatz sagten auf die Frage, ob sie heute auch feiern: Wir sind Christen.

 

Dieser Perspektivwechsel hilft sehr, einmal die Verhältnisse gerade zu rücken und zu spüren: Wir sind hier die absolute Minderheit. Wir sind hier die Exoten. Später treffen wir noch ein Kind aus unserer Arbeit und seine Familie. Auch sie sind auf dem Weg zu einem Fest. Die Mutter bietet uns noch vom Gebäck an. Dann steigen sie in ihr Auto und fahren dorthin, wo gefeiert wird. Wir steigen in die S-Bahn und haben Feierabend wie immer. Es ist wie Weihnachten, nur anders herum.

 

Was uns wirklich beeindruckt hat, ist die große Freude und die Ernsthaftigkeit, mit der das Fest begangen wird. Wir sind hier, weil wir von der Kirche mit einem Auftrag losgeschickt wurden. Wir sind hier, weil wir uns in dieses Quartier haben führen lassen. Und wir treffen hier auf ganz viele Menschen, denen es ernst ist mit dem Feiern eines religiösen Festes. Dieser Perspektivwechsel hilft uns als Vertreter:innen einer schrumpfenden Kirche zu erleben, dass hier schon lange geglaubt wird.

 

Es ist eine schöne Erkenntnis, die wir mitten zwischen Hochhäusern auf einem Spielplatz haben. Uns erinnert sie an die biblische Geschichte von Jakob, der mitten in der Wüste seinen Kopf auf einen Stein legt, um zu schlafen (Genesis 28). Dort träumt er von der Himmelsleiter und Gott spricht zu ihm. Er erwacht und stellt erstaunt fest: Gott ist an diesem Ort und ich wusste es nicht.