... zum Wohl junger Menschen

Das, was neu entsteht, soll jungen Menschen dienen. Das ist neben der räumlichen Orientierung (im Hamburger Süden) die einzige Vorgabe, die wir haben. Aber was heißt das eigentlich? Wann fühlen sich junge Menschen wohl? Was brauchen sie für die Erfüllung eines Gefühls ganzheitlichen Wohlbehagens? Und wer kann uns das erzählen?

 

Ein Blick in Jugendstudien gibt uns erste Hinweise. Junge Menschen der ganz neuen Generation – die, die nach Z kommt, aber noch keinen Namen hat – werden in einer komplexen Welt groß. Ihr Kindsein ist geprägt von Krisen, die ihr komplettes Leben durchdringen: Corona, Krieg, Klimawandel. Sie erleben: Die Erwachsenen zeigen Unsicherheit und Unstimmigkeit in der Suche nach und Umsetzung von Lösungen. Und sie erleben: Junge Menschen erheben ihre Stimme und werden nicht gehört und in ihre Schranken gewiesen. Es ist also wenig verwunderlich, dass die SINUS-Jugendstudie 2020* die neue Generation als ernster, problembewusster und ohnmächtiger beschreibt. Deutlich stärker ausgeprägt als in den Generationen zuvor. Ihr Lebenswunsch über die Milieugrenzen hinweg kommt daher ganz bodenständig daher: Sich zugehörig fühlen, Sicherheit erleben, Halt erfahren. Die Sympathien für eine bürgerliche Normalbiografie steigen stark. Der Wunsch nach Aus- oder Umbrüchen sinkt.

 

Uns überrascht das. Uns rüttelt das auf. Uns motiviert das. Nach einer Generation, die sich mitunter laut eingemischt hat, nun doch wieder stärkere Resignation. Seit vielen Jahren schon ist das Thema Partizipation nicht mehr aus der Kinder- und Jugendarbeit wegzudenken. Aber wie sieht eine Partizipation aus, in der Kinder und Jugendliche nicht nur die Farbe der Wände entscheiden dürfen, sondern sich selbst als wirksam erleben? Die Erfahrung machen, dass sie wirklich gehört werden? Wie können wir ihnen verlässliche Beziehungen und Orientierung anbieten?

 

Diese Fragen müssen und wollen wir mitnehmen auf unseren Weg. Einen Anknüpfungspunkt zum Weiterdenken eröffnet die SINUS-Jugendstudie aber auch schon: Vorrangig zu tun haben wir es mit Kindern und Jugendlichen aus dem traditionell-bürgerlichen, dem prekären und dem konsum-materialistischen Milieu. Milieus, denen noch stärker als den anderen Milieus Werte wie Harmonie, Heimat und Halt wichtig sind. Beim Lesen stolperten wir über eine Beschreibung über das traditionell-bürgerliche Milieu: „Hoch im Kurs stehen unmittelbare Naturerfahrungen … Die Natur ist Symbol für Heimat, Ruhe bzw. Harmonie.“* Und dann plötzlich noch einmal in der Beschreibung über das prekäre Milieu: Die Natur wird häufig als „intakter, harmonischer und sicherer Rückzugsort beschrieben.“* Auch für das konsum-materialistische Milieu spielen u.a. Treffpunkte draußen eine wichtige Rolle. Auf unserer Reise hatten wir einen Schlüsselmoment: Der Hinweis auf die Natur, auf die göttliche Schöpfung inmitten von Beton und Stein. Auch das schließen wir nun in unsere weitere Suche nach einem Projekt mit ein - wie im Alltag der jungen Menschen am Stadtrand in Wilhelmsburg die Natur als Lebensort erlebbar werden kann.

 

Und dann wissen wir aber natürlich auch: Expert:innen für ihr Leben sind die Kinder und Jugendlichen selbst. Wichtiger als über Kinder und Jugendliche in der Theorie zu forschen ist es, ihnen persönlich zu begegnen und sie selbst erzählen zu lassen. So trafen wir eines Tages ein junges Mädchen in einer Kindergruppe. Überaus schüchtern versteckte sie sich mit eher teilnahmslosem Blick hinter ihren Freundinnen. Als wir sie persönlich angesprochen haben, ihr angeboten haben, gemeinsam mit uns etwas zu machen, verwandelte sich ihr Blick in leuchtende Augen und ein großes Grinsen strahlte in ihrem Gesicht. In diesem Moment blühte etwas auf in ihr. Plötzlich konnten wir ihr Wohlsein sehen und fühlen.

 

Das ist für uns die Kurzform für alle unsere Bestrebungen: Junge Menschen in ihrem Versteck sehen – so wie Jesus den kleinen versteckten Menschen Zachäus gesehen hat. Und uns selbst einladen als Gast in die Lebenswelt der Kinder und Jugendlichen in diesem einen Quartier in Wilhelmsburg.

 

 

* Quelle: Calmbach, Flaig, Edwards, Möller-Slawinski, Borchard, Schleer (2020). Wie ticken Jugendliche? 2020. Bonn: bpb. S. 64; S. 106; S. 565-568